Defi­ni­ti­on

Poli­ti­scher Islam

.Es gibt ver­schie­de­ne wis­sen­schaft­li­che Defi­ni­tio­nen des Begriffs »Poli­ti­scher Islam«. Der AK Polis dis­ku­tiert in sei­ner Auf­bau­pha­se u. a. die fol­gen­den Ansät­ze:

  • Der Islam­wis­sen­schaft­ler Mouha­nad Khor­chi­de (Uni­ver­si­tät Müns­ter) defi­niert den Begriff als »Herr­schafts­ideo­lo­gie, die die Umge­stal­tung bzw. Beein­flus­sung von Gesell­schaft, Kul­tur, Staat oder Poli­tik anhand von sol­chen Wer­ten und Nor­men anstrebt, die von deren Ver­fech­tern als isla­misch ange­se­hen wer­den, die aber im Wider­spruch zu den Grund­sät­zen des demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes und den Men­schen­rech­ten ste­hen«.

    Der Vor­teil die­ser Defi­ni­ti­on besteht dar­in, dass sie auch vom Öster­rei­chi­schen Fonds zur Doku­men­ta­ti­on von reli­gi­ös moti­vier­tem poli­ti­schen Extre­mis­mus (»Doku­men­ta­ti­ons­stel­le Poli­ti­scher Islam«) ver­wen­det wird. Sie erfasst sowohl den lega­lis­ti­schen Isla­mis­mus (der Geset­zes­lü­cken, insti­tu­tio­nel­le Schwä­chen und reli­giö­se Son­der­rech­te des Staats­kir­chen­rechts aus­nutzt) als auch den mili­tan­ten Isla­mis­mus – zumal bei­de in enger Ver­bin­dung ste­hen.

  • Die Lei­te­rin des Frank­fur­ter For­schungs­zen­trums Glo­ba­ler Islam (FFGI), Susan­ne Schrö­ter (Uni­ver­si­tät Frank­furt)  weist dar­auf hin, dass die Wur­zeln des Poli­ti­schen Islams weit in die isla­mi­sche Geis­tes­ge­schich­te zurück wei­sen und häu­fig in Zusam­men­hang mit Ent­täu­schun­gen mus­li­mi­scher Akteu­re über miss­lun­ge­ne poli­ti­sche Expan­sio­nen oder den Ver­lust von Herr­schafts­ge­bie­ten ste­hen. Sei­ne heu­ti­ge  Spiel­art stel­le eine Reak­ti­on auf den Zusam­men­bruch des osma­ni­schen Kali­fats und die welt­wei­te Domi­nanz des Wes­tens dar. In ihrem Buch Poli­ti­scher Islam – Stress­test für Deutsch­land aus dem Jahr 2019 bie­tet sie die­se Defi­ni­ti­on: »Eine Herr­schafts­ord­nung, die einen fun­da­men­ta­len Gegen­ent­wurf zu Demo­kra­tie, Plu­ra­lis­mus und indi­vi­du­el­len Frei­heits­rech­ten dar­stellt. Sei­ne Ver­tre­ter stre­ben die Umge­stal­tung von Staat und Gesell­schaft anhand isla­mi­scher Nor­men an.«

  • Die Her­aus­ge­ber des Hand­buchs zum Poli­ti­schen Islam in Euro­pa (»Hand­book of Poli­ti­cal Islam in Euro­pe«) aus dem Jahr 2024, Tho­mas Jäger (Uni­ver­si­tät Köln) und Ralph Thie­le (Euro­päi­sches Insti­tut für Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung und Kon­flikt­prä­ven­ti­on), for­mu­lie­ren wie folgt: »Akteu­re des Poli­ti­schen Islams ver­fol­gen poli­ti­sche Zie­le, die sich aus der Idee ablei­ten, dass der Islam, so wie sie ihn ver­ste­hen, die zen­tra­le Rol­le bei der Gestal­tung poli­ti­scher, recht­li­cher und kul­tu­rel­ler Sys­te­me welt­weit spie­len soll­te. Obwohl es sich um eine brei­te und viel­fäl­ti­ge Bewe­gung mit ver­schie­de­nen Inter­pre­ta­tio­nen, Varia­tio­nen und Orga­ni­sa­tio­nen han­delt, gibt es Kern­merk­ma­le, die mit dem Poli­ti­schen Islam im All­ge­mei­nen ver­bun­den sind. Das ers­te und wich­tigs­te Merk­mal ist die Untrenn­bar­keit von Reli­gi­on und Poli­tik.« (eige­ne Über­set­zung)

Wich­tig ist dem AK Polis die kla­re Abgren­zung des »Poli­ti­schen Islam« vom Grund­recht der Mus­li­min­nen und Mus­li­me, von ihrer Reli­gi­ons­frei­heit Gebrauch zu machen. Sie haben das glei­che Recht wie alle ande­ren, sich im Rah­men des Rechts­staats gegen reli­gi­ös beding­te Dis­kri­mi­nie­run­gen zur Wehr zu set­zen. Nicht jede poli­ti­sche Betä­ti­gung von Muslim:innen darf also dem Phä­no­men des »Poli­ti­schen Islam« zuge­ord­net wer­den.

Die Ver­wen­dung des Begriffs »Poli­ti­scher Islam« trans­por­tiert kei­nen Gene­ral­ver­dacht gegen Muslim:innen – ganz im Gegen­teil: Durch die kla­re Unter­schei­dung zwi­schen dem Islam als Aus­druck von Reli­gi­on und Spi­ri­tua­li­tät und dem Islam als poli­ti­schem Macht­in­stru­ment kann dem wach­sen­den Pro­blem der Mus­li­men- und Frem­den­feind­lich­keit ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den. Der AK Polis bie­tet libe­ra­len und säku­la­ren Muslim:innen eine Platt­form, sich selbst­be­wusst vom Poli­ti­schen Islam abzu­gren­zen. Dabei will der Arbeits­kreis die not­wen­di­gen Bedin­gun­gen dafür schaf­fen, dass Men­schen, die im isla­mi­schen Kon­text auf­ge­wach­sen sind und die Wer­te des frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Rechts­staats ver­tre­ten, sich stär­ker in die gesell­schaft­li­che Debat­te ein­brin­gen kön­nen. Mit die­ser Defi­ni­ti­on bestehen für Islamist:innen, Linksextremist:innen oder Rechtsextremist:innen kei­ne Anknüp­fungs­punk­te für eine Mit­ar­beit im Arbeits­kreis.