Einleitung: Der Politische Islam in Hamburg
Der »Verein Säkularer Islam Hamburg« setzt sich seit seiner Gründung 2019 für eine konsequente Trennung von Staat und Religion ein. Sein Ziel ist es, eine Stimme und Interessenvertretung für Hamburgerinnen und Hamburger muslimischen Glaubens oder Herkunft zu sein, die diese Trennung ernst nehmen und leben.
Gleichzeitig steht der Verein in Opposition zu konservativen Islamverbänden und Moscheevereinen, die zum Teil vom Ausland finanziert und angeleitet werden. Diese Verbände wurden vom Hamburger Senat und der Bürgerschaft vor über zehn Jahren mit einem Staatsvertrag faktisch in den Status anerkannter Religionsgemeinschaften erhoben und gelten seither als Ansprechpartner der Exekutive in Fragen des islamischen Lebens in Hamburg.
Die öffentliche Debatte um diesen Staatsvertrag mit den Vertretern des Politischen Islam im Allgemeinen und die Rolle des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) im Besonderen zählen zu den zentralen Themen des Vereins. Daher haben wir die nach zehn Jahren anstehende Evaluierung des Staatsvertrags zum Anlass genommen, diese Konstruktion öffentlich kritisch zu hinterfragen.
Kritik am Staatsvertrag und seinen Folgen
Die in Hamburg regierenden Sozialdemokraten und Grünen haben – obwohl im Staatsvertrag anders formuliert – kaum Interesse daran, Integrationshindernisse und Lenkung durch das Ausland, wie z.B. durch das türkische Konsulat oder das iranische Mullah-Regime, zu hinterfragen. Stattdessen scheinen sie einzig und allein froh damit zu sein, mit dem »Brautpreis Staatsvertrag« Ruhe in den Moscheen und der öffentlichen Debatte zu haben. Integration, Frauen- und Kinderrechte waren und sind keine Themen für die meisten regierenden Politiker.
Und das obwohl sich neben, mit und unter dem Schutz des Staatsvertrags in Hamburg eine islamistische Szene – Stichwort »Muslim Interaktiv« – entwickelt hat, der es mühelos gelingt, innerhalb einer Woche 2000 Demonstranten für ein Kalifat auf die Straße zu bringen.
Öffentliche Hinterfragung der Islamverbände
Wir haben neben diesen Themen auch die Vertragspartner, wie die Islamverbände des Senats, öffentlich durch Demonstrationen, Artikel und Veranstaltungen hinterfragt. Partner und einzige Organisation, die offen und kooperativ tätig ist, ist die alevitische Gemeinde, die von sich aus proaktiv Integrationsprojekte angegangen ist.
Außen vor ist die Ahmadiyya Gemeinde, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist, sich aber konspirativ gibt und an keiner Debatte beteiligt. Da ist als große Organisation die DITIB, die von der türkischen Regierung über die Religionsbehörde und das Konsulat finanziert und angeleitet wird. Da ist die Schura Hamburg (SCHURA – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V.), ein Zusammenschluss von über 60 Moscheevereinen und Verbänden, angeführt von der Millî Görüş (IGMG), zu der auch das schiitische Islamische Zentrum Hamburg (IZH) mit der Imam-Ali-Moschee, der »Blauen Moschee an der Alster«, gehörte.
IZH als Außenstelle des Mullah-Regimes
Wir haben mit Demonstrationen vor der Moschee immer wieder auf die Funktion des IZH als Außenstelle des Mullah-Regimes hingewiesen und letztlich nicht nur CDU und FDP, sondern auch Teile der Grünen und der SPD gewonnen, sich gegen eine Zusammenarbeit mit dem IZH zu positionieren. Um den Staatsvertrag nicht zu gefährden, drängten die anderen Schura-Verbände das IZH, die Mitgliedschaft in der Schura ruhen zu lassen.
Das IZH klagte dagegen, im Hamburger Verfassungsschutzbericht erwähnt und als vom Iran gesteuerte Organisation bezeichnet zu werden – und verlor.
Schließung des IZH im Juli 2024
Mit der Ermordung von Jina Masha Amini im September 2022 wurde der Widerstand unter dem Slogan »Frauen-Leben-Freiheit« gegen das Mullah-Regime größer und die Forderung, das IZH zu schließen, d.h. den politischen Einfluss zu beenden, immer lauter. Schließlich wurde dies auch von den verantwortlichen Politikern der SPD, wie dem Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher und der Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in die Tat umgesetzt und das IZH im Juli 2024 geschlossen.
Über die Geschichte der Blauen Moschee an Hamburgs Außenalster
Um die grundsätzliche Bedeutung dieser Maßnahme zu verstehen, möchte ich kurz Geschichte und Bedeutung dieses Instituts rekapitulieren:
Die Imam-Ali-Moschee, genannt die Blaue Moschee an der Schönen Aussicht an Hamburgs Außenalster, ist nicht irgendeine Moschee. Das beeindruckende Gebäude wurde in den 1960er Jahren, mit Unterstützung des deutschen Konvertiten Abdulkarim Grimm (Urenkel eines der Brüder Grimm), von schiitischen Muslimen, meist Kaufleuten und Studenten, mit Genehmigung der theologischen Hochschule in Ghom (Iran, südlich von Teheran) geplant und finanziert.
Von Beginn an waren hohe Würdenträger des schiitischen Islam aus dem Iran Imame an der Alster, wie Mohammad Beheschti, IZH-Leiter von 1965 bis 1970. Er wurde nach der Revolution zum Obersten Richter Irans ernannt und war daran beteiligt, die Scharia mit ihren frauenfeindlichen Vorschriften durchzusetzen. Wie Der Spiegel seinerzeit recherchierte, benutzte er sein Amt, um Familien verurteilter Regimegegner Schmiergelder abzupressen und die Delinquenten dann doch hinrichten zu lassen. In der Folge ließ er mehrere Millionen Mark über die Bank Melli Iran dem IZH gutschreiben, die anschließend von einem Vertrauten Beheschtis auf ein Konto bei einer deutschen Bank weitergeleitet wurden.
Mohammad Chātami, IZH-Leiter von 1978 bis 1980, stieg 1997 zum iranischen Staatspräsidenten auf. Unter seiner Leitung wurden in Hamburg, in der Blauen Moschee, die Scharia-Gesetze, vor allem das Gebot der Zwangsverschleierung von Frauen, ausgearbeitet, die dann ausgerechnet am 8. März 1979 von Khomeini in einer Rede öffentlich verkündet wurden.
Exkurs: Die Islamische Revolution von 1978/79
Mit der Islamischen Revolution von 1978/79 und der Installation eines Gottesstaates durch Ayatollah Khomeini wurde ein Familienrecht eingeführt, das auf den Vorgaben des islamischen Rechts beruht:
- Das Recht auf Scheidung und das Sorgerecht geschiedener Frauen für die Kinder wurden eingeschränkt.
- Das Mindestalter für die Verheiratung von Mädchen wurde zunächst auf dreizehn, dann auf neun Jahre herabgesetzt.
- Polygamie wurde legal, allerdings nur für den männlichen Teil der Gesellschaft (Polygynie).
- Das Zeugnis einer Frau vor Gericht ist seitdem nur halb so viel wert wie das eines Mannes; Gleiches gilt für die finanzielle Entschädigung im Falle eines tödlichen Unfalls.
- Nach der Machtübernahme machte Ayatollah Khomeini am 8. März 1979, dem Internationalen Frauentag, die Verhüllung der Frauen unter dem Tschador zum Gesetz.
Scharia als islamisches Rechtssystem
Die Scharia wird in der islamischen Theologie als vollkommene Ordnung Gottes verstanden, die Frieden und Gerechtigkeit schafft. Sie ist die Gesamtheit des islamischen Gesetzes, wie es im Koran, in der islamischen Überlieferung und in den Auslegungen maßgeblicher Theologen und Juristen vor allem der frühislamischen Zeit niedergelegt wurde. Das Ehe- und Familienrecht gilt als Kern der islamischen Gesetze, der Scharia, und ist mit wenigen Ausnahmen heute in allen islamischen Ländern eine wesentliche Grundlage des Personenstandsrechts und der Rechtsprechung in Zivilprozessen.
Ein Netzwerk des Mullah-Regimes
Die Stellung des Vorbeters in der Imam-Ali-Moschee war von Beginn an die wichtigste Position des schiitischen Islam in Europa und für alle ein Karrieresprungbrett. Vom IZH aus wurde ein großes Netzwerk des Mullahregimes organisiert: Schulen, Akademien und Sportvereine wurden eingerichtet, finanziert und kontrolliert. Über das IZH wurde die Zusammenarbeit mit islamistischen Verbündeten im Nahen Osten organisiert, Spenden akquiriert und der Al-Quds-Tag in Berlin initiiert. Über das IZH wurden zudem aus dem Iran Geflüchtete überwacht, bespitzelt und bedroht.
Der »Muslim-Markt« der Brüder Özoğuz, der kleinkrämerische Arm des Mullah-Regimes, versorgt die Umma mit dem nötigen ideologischen wie schleierhaften Outfit. Und ihre Schwester Aydan, die Spitzenkandidatin der SPD in Hamburg und Bundestagsvizepräsidentin ist das Gesicht von verhinderter Integration und des Appeasements der Sozialdemokratie in Sachen Islamismus.
Das IZH war und seine Nebenorganisationen sind es noch, Teil des organisierten Politischen Islam in Deutschland. Das Islamische Zentrum München, das IZH und die aus dem IZH hervorgegangene Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) sind im Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Das Bundesamt für Verfassungsschutz ordnete erstmals offiziell im Jahr 2020 den ZMD-Mitgliedsverband, zugleich Gründungsmitglied des ZMD, ATİB – Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V., der türkisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung, den Grauen Wölfen, zu.
Beim letzten, inzwischen ausgewiesenen Leiter des IZH, Mohammed Hadi Mofatteh, wurden bei der Einreise umfangreiche politische Anweisungen des »obersten Führers« beschlagnahmt. Er war es, der sich offiziell unpolitisch gab, gleichzeitig aber zum Beispiel 2019 eine Fatwa zur Frage des Kinderkopftuchs erteilte: »Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Religionsmündigkeit nach islamischem Recht, und damit das religiöse Gebot des Hidschabs und Kopftuchs, durchaus bereits im Alter von knapp neun Jahren eintreten kann.«
Was alles bei der Razzia in der Blauen Moschee an Unterlagen gefunden wurde, ist noch nicht öffentlich bekannt. Es soll auch viel Bargeld dabei gewesen sein. Dass das IZH geschlossen und das Vereinsvermögen beschlagnahmt wurde, ist ein Segen und war politisch überfällig. Es ist die erste konkrete politische Maßnahme gegen den vom Ausland aus gesteuerten Politischen Islam.
Was geschieht mit der Blauen Moschee?
Aktuell ist die Blaue Moschee geschlossen, das Vereinsvermögen eingezogen. Die Staatsanwaltschaft sichtet das in der Moschee beschlagnahmte Material. Gegen das Verbotsverfahren hat das IZH Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Wann das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheidet? Unklar. Es kann Jahre dauern.
Kleiner Witz am Rande: Hätte das IZH nicht geklagt, wäre das Gelände nach sechs Wochen in die Verfügung der Stadt Hamburg gelangt, die dann einen Betreiber hätte einsetzen können. Jetzt verwaltet das Bundesinnenministerium (BMI) das Gebäude lediglich; es soll sich um die Sicherheit und Reparaturen kümmern – bis rechtskräftig wird, wem die Moschee zukünftig gehört. »Erst mit der Unanfechtbarkeit der Verbotsverfügung erwirbt der Bund die Immobilien als Teil des Vereinsvermögens durch Einziehung nach Vereinsgesetz«, schreibt das BMI.
Die Schura Hamburg und angeblich vom Iran unabhängige schiitische Organisationen organisieren gelegentlich Freitagsgebete auf der Straße vor der Moschee. Sie beanspruchen die Moschee als Gebetsraum und argumentieren mit der Losung: »Wir wollen doch nur beten«. Eine Forderung, die in ihrer populistischen Schlichtheit manchen beeindruckt. Vor allem die Schura Hamburg will sich so dem Senat als Problemlöser und zukünftiger Betreiber der Moschee andienen. Dem Senat käme eine solche Lösung wohl gelegen, ist er doch bisher immer auf vordergründige Konfliktvermeidung bedacht.
Aber die politische Großwetterlage hat sich geändert. Die iranische Aggression gegen Israel, die vorgebliche Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, die anschließende Schließung der iranischen Konsulate u. a. in Hamburg und eben das anhängige Verbotsverfahren gegen das IZH lassen aktuell keine Mauscheleien zu. Außerdem stehen in Hamburg Wahlen an und zumindest die CDU hat sich eindeutig gegen das IZH und die Fortführung des Staatsvertrags in bisheriger Form positioniert.
Ein Ort der Mahnung für Freiheit und Menschenrechte
Nötig ist eine politische Entscheidung, die sich eindeutig gegen den politischen Missbrauch von Religion und religiösen Symbolen wendet. Das Islamische Zentrum Hamburg muss Geschichte sein.
Die Blaue Moschee muss ein Ort der Mahnung für die Freiheit und die Menschenrechte werden
- an dem an die Opfer des religiösen Fundamentalismus gedacht wird, deren prominentes Opfer – Jina Masha Amini – für die Bewegung »Frauen-Leben-Freiheit« steht,
- ein Ort, an dem die große kulturelle Vielfalt der iranischen Völker und Kulturen einen Platz findet, an dem gefeiert und diskutiert wird und an dem auch am Freitag gebetet werden kann.
Die Blaue Moschee sollte als Kulturinstitution – unter welcher Aufsicht auch immer – nie wieder ein Zentrum des Politischen Islam sein. Ob das passiert, hängt nicht nur von uns ab.
Dr. Necla Kelek ist Vorsitzende des Vereins Säkularer Islam Hamburg e. V. und u. a. im Vorstand von Terre des Femmes – Menschenrechte für die Frau e. V.