Die Par­tei DAVA – eine Gefahr für unse­re Demo­kra­tie?

Lale Akgün analysiert die Entstehung und die Hintergründe der türkisch-islamistischen politischen Vereinigung DAVA (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch), die bei der Europawahl 2024 erstmals antrat. Trotz eines lauten Auftretens und hoher Erwartungen erzielte DAVA lediglich 0,4 % der Stimmen. Doch wie gefährlich ist DAVA wirklich?

Der Arti­kel erschien in MIZ 02/24 – Mate­ria­li­en und Infor­ma­tio­nen zur Zeit. Akgün beschreibt, dass die Grün­dung von DAVA nicht der ers­te Ver­such war, mit einer tür­kisch-isla­mis­ti­schen Par­tei in Deutsch­land das Milieu der Nach­kom­men der ehe­ma­li­gen Gastarbeiter:innen anzu­spre­chen. Bereits 2010 trat die Par­tei BIG (Bünd­nis für Inno­va­ti­on und Gerech­tig­keit) bei der Land­tags­wahl in NRW an, erziel­te aber 2017 nur 17.455 Stim­men. 2016 folg­te die ADD (Alli­anz Deut­scher Demo­kra­ten), gegrün­det von Rem­zi Aru, einem Ver­trau­ten Erdoğans. Trotz offe­ner Unter­stüt­zung durch Erdoğan erreich­te die ADD 2017 ledig­lich 0,1 % der Stim­men.

DAVA wur­de 2024 als neue Ver­ei­ni­gung für die Euro­pa­wahl gegrün­det. Der Vor­sit­zen­de, Tey­fik Özcan, war ehe­mals in der SPD, und sah für DAVA ein Poten­zi­al von fünf Mil­lio­nen Stim­men. Spit­zen­kan­di­dat Fatih Zin­gal, ehe­ma­li­ger Pres­se­spre­cher der UID (einer AKP-nahen Orga­ni­sa­ti­on), kal­ku­lier­te opti­mis­tisch mit den Stim­men aller tür­kisch­stäm­mi­gen Men­schen in Deutsch­land, igno­rier­te dabei laut Akgün jedoch die poli­ti­schen Unter­schie­de inner­halb der Ziel­grup­pe. Er heiz­te die Stim­mung an, indem er die rhe­to­ri­sche Fra­ge stell­te: »Stim­men Sie mir zu, dass die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der in Deutsch­land leben­den Tür­ken sagt ‘Ich bin Tür­ke´?« Wei­te­re Kan­di­da­ten auf vor­de­ren Lis­ten­plät­zen waren Ali Ihsan Ünlü, ehe­ma­li­ger DITIB-Vor­sit­zen­der in Nie­der­sach­sen, und Mus­ta­fa Yol­daş, ein frü­he­rer Funk­tio­när von IGMG – Isla­mi­sche Gemein­schaft Mil­li Görüş und ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der der IHH – Inter­na­tio­na­le Huma­ni­tä­re Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on (im Jahr 2010 ver­bo­ten, laut Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um: »Finan­zi­el­le Unter­stüt­zung der Hamas und ihr nahe­ste­hen­der Orga­ni­sa­tio­nen«).

Das Par­tei­pro­gramm fokus­siert sich auf isla­mi­sche The­men und ein kon­ser­va­ti­ves Welt­bild. Wei­te­re Kenn­zei­chen sei­en, so Akgün, ihr »rhe­to­risch robus­tes Auf­tre­ten mit dem bekann­ten Opfer­n­ar­ra­tiv bezüg­lich Mus­li­me hier und woan­ders« und ihr mora­li­scher Ver­tre­tungs­an­spruch (»Ange­spro­chen sind alle, die von den ande­ren Par­tei­en nicht ange­spro­chen sind! Wir sind für alle Men­schen da, die vom Ras­sis­mus betrof­fe­nen sind“).

Akgüns Kern­aus­sa­gen

  • Bis­her kei­ne aku­te Gefahr:
    »Zur­zeit sehe ich in der Brei­te kei­ne aku­te Gefahr für die Demo­kra­tie durch die isla­mis­ti­schen Par­tei­en. Den­noch müs­sen wir auf­merk­sam blei­ben.«
  • Der Poli­ti­sche Islam als Bedro­hung:
    »Der poli­ti­sche Islam, der Poli­tik im Namen des Islams machen möch­te und als Ziel einen reli­giö­sen Staat vor Augen hat, ist und bleibt eine immer­wäh­ren­de Gefahr für die Demo­kra­tie.«
  • Die Bedeu­tung Erdoğans:
    DAVA habe ihre Ziel­grup­pe ver­fehlt, indem sie sich von Erdoğan distan­zier­te. »Eine Par­tei ohne Erdoğan ist für die Deutsch­tür­ken unin­ter­es­sant. Nur das Pro­gramm allein reicht nicht aus.«
  • Patri­ar­cha­le Struk­tu­ren und Erdoğan-Kult:
    »Solan­ge in tür­ki­schen Fami­li­en das patri­ar­cha­le Sys­tem nicht durch­bro­chen wird, solan­ge das Wort des Vaters nicht infra­ge gestellt wer­den darf, wer­den Figu­ren wie Erdoğan als Leit­fi­gu­ren der Gesell­schaft akzep­tiert.«
  • War­um Wäh­ler abwan­dern:
    Die tür­kisch-isla­mis­ti­schen Grup­pie­run­gen wür­den mit Dis­kri­mi­nie­rung, Islam­feind­lich­keit und Ras­sis­mus eher The­men anspre­chen, die in der deut­schen Mit­tel­schicht zu Hau­se sei­en, nicht jedoch die sozi­al benach­tei­lig­te Ziel­grup­pe der Migran­ten. »Ihre The­men sind Bread-and-But­ter-The­men wie Arbeits­markt, Kran­ken­ver­si­che­rung und Ren­te – nicht die gesell­schafts­po­li­ti­schen Fra­gen, die DAVA auf­ge­grif­fen hat.«
  • Kom­mu­ni­zie­ren­de Röh­ren: AfD und isla­mis­ti­sche Par­tei­en
    »Die AfD und die isla­mis­ti­schen Par­tei­en sind kom­mu­ni­zie­ren­de Röh­ren. Der Auf­stieg der AfD und die Ver­än­de­rung der Bevöl­ke­rungs­struk­tu­ren in den nächs­ten Jah­ren sind zum Bei­spiel zwei Fak­to­ren, die den isla­mis­ti­schen Par­tei­en zum Auf­schwung ver­hel­fen könn­ten. Im Bereich der extre­men Par­tei­en müs­sen die isla­mis­ti­schen Par­tei­en immer mit­be­dacht wer­den.«

Wei­ter­le­sen bei MIZ – Mate­ria­li­en und Infor­ma­tio­nen zur Zeit (Bezahl­schran­ke):